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Chorleitung ist eine vornehme Aufgabe: sie heißt - für mich
- gestalten und führen, gleichzeitig aber auch mich als Leiter vom Angebot des
Chores leiten lassen.
Diese Balance auszutarieren erfordert eine Fülle an handwerklichem Können: Dirigat,
Stilistik, Klang(-Ideal), Vision,
Strategie, Kommunikation, Psychologie
- Kompetenzen, die ich im Folgenden kurz skizziere:
Das Dirigat, die Schlagtechnik, die (die musikalische Aktion vorbereitende) Zeichensprache können gelehrt und gelernt werden, sind aber letztlich nur überzeugend, wenn sie mit der Persönlichkeit der/des Dirigierenden korrelieren und wenn sie zum anderen das jeweilige Vermögen des Ensembles im Blick haben.
Stilistik berührt zum einen die Frage nach dem Repertoire,
das dem jeweiligen Ensemble auf den Leib geschneidert werden sollte; dies ist
mit langfristigem Blick anzulegen wie mit kreativem Händchen adhoc zu
korrigieren.
Der aufführungspraktische Aspekt braucht Lernen, Erfahrung und Geschmack, auch
hier gilt es die Möglichkeiten des spezifischen Ensembles im Blick zu haben.
Und ab hier wird es interessant: denn auf diesem Fundament kann die
künstlerische Persönlichkeit von DirigentIn und Ensemble die Musik in etwas
Lebendiges, Gegenwärtiges, Eigenes verwandeln.
Klang - die Essenz dessen, was Chor so schön macht; es gibt zwei Möglichkeiten: entweder den Chor zu einem (oft erlernten oder geplanten) Klang-Ideal hinzuführen; oder: den eigenen, unverwechselbaren des Chores zu entdecken, zum Blühen zu bringen, weiterzuentwickeln - ich selbst bevorzuge diesen Weg.
Vision - die Frage ist zu Beginn einer Zusammenarbeit zu stellen und immer wieder zu meditieren: welches ist das Potential der Gruppe, wohin kann sich ihr Klang gestalten, wie fließt ihre soziale Kompetenz in die musikalische Arbeit und in deren Ergebnis ein, in welcher Weise wird sie das in die Öffentlichkeit tragen, was kann, will und wird sie bewegen?
Strategie - eigentlich ein Wort aus der Kriegsführung (und damit männerdominiert besetzt) - ist die handwerkliche Antwort auf die Vision: wie kann ich diese in die Wege leiten? wie kann ich das KnowHow in der Gruppe nutzen und entwickeln, welche meiner Fähigkeiten muss ich aktivieren, in den Vordergrund oder tunlichst zur Seite stellen? welche Hilfsmittel oder Maßnahmen können dabei hilfreich oder notwendig sein? welche Zeiträume scheinen für welche Entwicklungen notwendig, in welchen Zeitphasen geschieht was, in welcher Reihenfolge setze ich die Schwerpunkte?
Der Begriff Kommunikation ist für mich in zweifacher Weise
der Schlüssel für die Einzigartigkeit des Phänomens Chor (bzw. Vokal-Ensemble):
die subtile Verständigung innerhalb des Ensembles wie auch die zwischen Gruppe und
DirigentIn ist eine der aufregendsten Erfahrungen für Musizierende wie für
sehende Hörende - dies gilt in gleicher Weise auch für instrumentale Kammermusik
bzw. Orchester.
Die andere, die texttragende und weitersagende Dimension, ist die
ureigene des Chores als der Stimme/n der Vielen (eine ganz andere
Dimension als im Sologesang oder in der Oper).
Und dies nicht nur intellektuell, sondern auch energetisch: in ihrer
berührenden, bewegenden, verändernden Kraft.
Psychologie - wie ticken die? wie tickt der/die da vorne? was geht innerhalb einzelner Chorgruppierungen ab? wer in der Gruppe spielt welche Rolle? wie ist das Machtgefüge? welche Wege kann man gehen, um da konstruktive Angebote zu machen? welche Absichten, welche Themen, welche Muster stecken hinter irritierenden, verletzenden, einschmeichelnden Äußerungen von vorne oder aus der Gruppe? ...
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